Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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Isabelle Kaisers Axenstrecke

Schauplatz

«Von den Rofajen herunter blies der Winterföhnsturm mit Schnee auf den Vierwaldstättersee herab (...). Ein fast höllischer Sturmchor erklang aus dem Teufelsmünster jenseits des hochgehenden Sees.»

Isabelle Kaiser: Der Nachtzug (1905)

© KEYSTONE
Zu Erzählung und Autorin

Der Nidwaldner Dominik Selm ist Bahnwärter entlang der Axenstrecke, dort wo die felsigen Ufer senkrecht in den See abfallen und sich Bahn, Kutschen und Pferde ihren Weg durch enge Tunnel suchen müssen. Gerade ist er fertig mit seinem Routine-Kontrollgang und will nach Hause zu Frau und Kindern, als er das Donnern eines Bergsturzes vernimmt und gleich darauf das Unglück auch sieht: «Fremd und zerstört lag das Gelände, weder Damm noch Schienenstrang waren mehr sichtbar, Schutt und Schlamm türmten sich mannshoch vor ihm auf! ‹Jesses Maria!› stöhnte er mit starrem Grausen.»
Da hört er aus der Ferne des Pfeifen des Nachtzugs. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn Selm muss den heranschnaubenden Dampfzug ohne Telefon, ohne Funk stoppen, nur mit seiner Laterne. Er schafft es, den Zug aufzuhalten, zwanzig Meter vor dem Schuttwall – und bezahlt dafür mit seinem eigenen Leben. Während die Fahrgäste gelangweilt oder verärgert aus den Fenstern schauen («He! Schaffner, was will das bedeuten? Natürlich wieder eine Verspätung...») liegt der Bahnwärter tot an der Böschung. Isabelle Kaiser (1866-1925), schrieb in französischer und in deutscher Sprache. Ab 1902 bis zu ihrem Tod lebte die Dichterin zurückgezogen in ihrer «Ermitage» in ihrem Geburtsort Beckenried am Vierwaldstättersee. «Dort empfing sie Freunde wie Carl Spitteler oder Ernst Zahn als eine Art poetische Traumtänzerin» (Charles Linsmayer).

Zum Ort

Unser Bild zeigt die steilen Felsen, die den Urnersee einfassen. An einer solchen Stelle hätte der Nachtzug in die Tiefe stürzen können.