Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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Friedrich Theodor Vischers «Robanus»

Schauplatz

«Durcheinander schreiend, ziehend und stoßend, zerrend und gezerrt, wälzte sich der wirre Menschenknäuel über die Opferstätte hin, wo vor Grippos Bild ein Scheiterhaufen aufgerichtet stand und rötlich im Fackellicht aufglühte, wo auf dem Dolmen schon der Coridwentopf bereit stand, das Blut des Menschenopfers zu empfangen, dann weiter der Brücke zu, worüber zuerst Urhixidur hinraste, die sich vor Angus den Vortritt errafft hatte. Mit sausenden Flechten stürmte sie über die polternden Planken, immer die Fackel schwingend, deren Flamme nun auf den dunklen Spiegel des Sees ihren feuerroten Schein umherstreute – eine Eumenide, ein höllischer Dämon –, ihr nach der Druide, die sechs Ältesten, dumpf erkrachte unter der wild bewegten, stampfenden Last des nachdrängenden Gewühles der ganze hohle Unterbau des Wasserdorfes, von fern hörte man das Geheul eines Wolfs (...).»

Ernst Theodor Vischer: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft (1879)

© KEYSTONE
Zu Roman und Autor

Eine höchst amüsante Binnenerzählung hat Friedrich Theodor Vischer in seinen Roman «Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft» eingelegt. Schon die Rahmenhandlung enthält etliche Schweizer Szenen, vom Zugersee bis zur Schöllenschlucht, doch die Erzählung «Eine Pfahldorfgeschichte» schlägt einfach alles! In launigem Ton, detailsatt und mit vielfachem Augenzwinkern versehen, wird die Welt der Pfahlbauer am Pfäffikersee, damals «am Robanus», geschildert. Übrigens erscheint auch Zürich, «Turik», in der Pfahlbauererzählung, wobei sich Frühgeschichte mit Gründerzeit mischt, denn dort «war nicht bloß die große Schnur- und Fadenfabrik, sondern unter anderem auch ein Druidenorden mit einer Pflanzschule, einem großen Seminar, neben ihm eine Bardenschule, die zusammen das bildeten, was wir jetzt eine Universität nennen.»
Der Druide am Robanus wird wie folgt eingeführt: «Er pflegte den noch reichlichen Naturschmuck seines Hinterhauptes in Anspruch zu nehmen, um die Kahlheit seines Vorderhauptes nach Möglichkeit anständig zu bedecken.» Ausgewählte Strähnen werden ganz einfach «zierlich mit ausgesucht zartem, höchst geläutertem Tannenharz» festgeklebt. Und ganz nebenbei ist noch zu erfahren, was bei einem Fest in einem Pfahlbauerdorf so serviert worden sein könnte, etwa «Rettich, als Salat angemacht mit Metessig und Buchelöl» Deckelschnecken mit Zwiebeln, Mark aus Knochen des Rinds, des Keilers, des Bären und so fort und das alles begossen mit Stachelbeerwein...
Friedrich Theodor Vischer (1807-1887) war ein deutscher Professor für Ästhetik und Philosophie und in dieser Funktion lehrte und forschte er ab 1855 einige Jahre am Polytechnikum in Zürich, ehe er nach Deutschland zurückkehrte. (BP)

Zum Ort

Die Schweiz hat den Pfahlbauern, die vor Jahrtausenden auf ihrem Gebiet siedelten, ihre elfte UNESCO-Weltkulturstätte zu verdanken. Insgesamt 111 Stätten der Pfahlbauer im Alpenraum gehören zum Weltkulturerbe. Am Pfäffikersee ist die Fundstelle Wetzikon–Robenhausen herausragend, der mutmassliche Schauplatz von Vischers Pfahlbauergeschichte. Sie ist charakterisiert durch eine exzellente Erhaltung von organischen Resten. Als ungewöhnlicher Fund ist ein Brett zu verzeichnen, wobei es sich vermutlich um eine pfynzeitliche Tür handelt. Die Fundstelle ist auch bekannt wegen ihren Nachweisen für die Textilproduktion. Sie lieferte zahlreiche ausgezeichnet erhaltene organische Fundensembles, vor allem Textilien und Teile eines neolithischen Webstuhls.