Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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Lore Bergers Bruderholz

Schauplatz

«Wir gehen, du und ich. Wir haben uns in der Nähe des Turmes getroffen und steigen die wenigen Schritte bis zum Aufgang empor. Es ist dämmrig im Erdgeschoß des Gebäudes, kühl und hart ist der Boden, und das Seufzen der Drehtür gibt ein langanhaltendes Echo, das einen erschrecken könnte.
Wir steigen die Treppe hinauf und küssen uns auf jeder Stufe, unser Gewicht gleichsam aufeinander übertragend, und wir gehen nie fehl. Das eine Mal aber, wo du meinen Körper packst, Thomas, und ihn zurückbiegst, zurück über das Steingeländer der Treppe: Da ist mir, ich zerbreche.»

Lore Berger: Der barmherzige Hügel. Eine Geschichte gegen Thomas (1944)

Zu Roman und Autorin

Eine Liebe geht zu Ende, eine junge Frau zerbricht daran. Und wird sich wenig später vom Schauplatz ihrer ersten Verliebtheit, dem Wasserturm auf dem Basler Bruderholz, in den Tod stürzen.  Das Verstörende daran: Zwei Jahre später tut es ihr die Verfasserin des Romans, Lore Berger (1921-1943), gleich. Berger hat nur einen einzigen Roman geschrieben. Er wird  1944 postum veröffentlicht worden, unter dem Titel «Der barmherzige Hügel». Das Buch enthält wunderbare Schilderungen vom Bruderholz, dem «Villenhügel» mit Blick auf Basel und den weiten Horizonten: «Auch ist der Wind immer über die Felder getanzt, Sonne und Mond haben keinen Augenblick in ihrem kosmopolitischen Flirt innegehalten, die gelben Sterne haben je und je für die nötige Romantik gesorgt. Seit je stand der rote Mohn an heißen Sommertagen zitternd in den Kornfeldern, blauer Rittersporn nickte steif aus den Gärten. Die Pappeln am Rande des Hügels sahen über die Stadt wie heute, sahen über das Rathaus, die Münstertürme, den Bahnhof... Erinnerst du dich des großen Hügels, Thomas? Im Sommer ist er ganz besonders schön und stolz. Er liegt ruhig, ganz ruhig, dehnt sich wie ein vollkommen entspannter Körper unter der trägen Luft. (...)»
Es ist eine tragische Liebesgeschichte, zugleich aber ein Dokument des (bürgerlichen) Lebens in der Schweiz in den Jahren 1938 bis 1943. Erst 1981 wird der Roman von Charles Linsmayer neu aufgelegt und kommentiert, daraufhin auch ins Französische und Italienische übersetzt und sogar verfilmt. (BP)

© Wladyslaw Sojka
Zum Ort

Das Bruderholz ist Basels südlichstes Wohnquartier, in sonniger Hang- und Hügellage. Der Wasserturm (Baujahr 1926) ist eine der attraktivsten Grünanlagen in Basel. Im Frühsommer wird das Gebiet  von grossflächigen, blumenreichen Wiesen dominiert. Störche sind hier häufige Gäste. Das den Wasserturm umgebende viereckige, dammartige Bauwerk der Batterie war eine Artilleriestellung, die 1815 im Kampf gegen die französischen Angreifer errichtet wurde und auch im Ersten Weltkrieg wieder militärisch genutzt wurde. Vom Wasserturm aus hat man einen einzigartigen Rundblick über Basel und die nähere trinationale Umgebung. Der Turm dient noch heute  als Wasserspeicher.