Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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Ulrich Knellwolfs Sils Maria

Schauplatz

«Hilde war (...) das letzte Stück allein, vor sich in zweihundert Metern Abstand einen einsamen Läufer. Bei der kritischen Stelle mit der roten Absperrung standen mit einem Mal die beiden Totenköpfe am Weg, straff über den Kopf gezogene Wollmützen, weiss angemalte Lippen, die runden Brillen mit den schwarzen Gläsern und den weissen Fassungen. Als Hildes Vorläufer auf der Höhe der beiden angelangt war, schien es ihr, als entstehe dort vorn ein Handgemenge. Sie meinte einen unterdrückten Schrei zu hören. War, was aufblitzte, ein Messer? Der Läufer bekam einen Stoss, fuhr aus der Loipe auf das Wasserloch zu und versank. Hilde hörte nichts. Als sie ihren Blick von dem Wasserloch losriss, waren die zwei Totenköpfe nicht mehr zu sehen.»

Ulrich Knellwolf: Tod in Sils Maria. Dreizehn üble Geschichten (1993, die heute erhältliche Ausgabe ist um vier Geschichten erweitert)

Zu Buch und Autor

Ein Pfarrer, der Krimis schreibt. Keine Alltäglichkeit. 1992 erscheint Ulrich Knellwolfs Erstling «Roma Termini» und löst kontroverse Reaktionen aus. Die einen entrüsteten sich ob der Tatsache, dass ein Theologe über das Böse im Menschen schreibt. Die anderen feierten ihn und lobten seinen ironiereichen Schreibstil. Fakt ist: Knellwolf wird in der Schweiz gerne gelesen. Besonders das Werk «Tod in Sils Maria. 13 üble Geschichten» (1993) fand und findet bei einem breiten Lesepublikum Beachtung. Die 13 üblen Geschichten spielen allesamt im Engadin. In beinahe jeder finden wir Landschaftsbeschreibungen der imposanten und schneebedeckten Bergwelt. Diese kann sogar zum Komplize eines Mordes werden. In «Februarende» hat es ein Autor auf seinen verhassten Kritiker abgesehen. Mittels einer von ihm ausgelösten Lawine will er seinen Feind im Fextal verschütten. Völlig unerwartet wird er aber dabei auch selber zum Opfer. Denn bevor der Kritiker unter der Schneemasse begraben wird, feuert er einen Schuss auf den Autor ab. Alles erklärt sich damit, dass eine dritte Partie im Spiel ist. Dem Verleger nämlich waren sowohl Kritiker als auch Autor ein Dorn im Auge. Ohne sich dabei die Hände schmutzig zu machen,  stachelt er die beiden gegeneinander auf bis es zum gegenseitigen Mord kommt. So lässt er gegen Ende verlauten: «Müller-Schwartenmagen ist ein eingebildeter Esel, der nicht einmal für ein erstklassiges Essen von seinem hohen Ross heruntersteigt. Hat mir mit seinem Geschmier das ganze Geschäft der letzten Saison versaut. Und der andere, nun ja, er wird langsam eine Belastung für meine Bilanz. Keine Einfälle mehr, keine Sprache mehr, nichts.» Angéline flüsterte: «Könnte man es wohl Entsorgung nennen?» «Kluge Frau! Gewissermassen könnte man es wohl Entsorgung nennen.» Regelrecht entsorgt wird also im Engadin. Wer stört, muss gehen. Stoff für solche Erzählungen findet Knellwolf, laut eigenen Angaben, bereits vor seiner Haustür. Der promovierte Theologe und Schweizer Schriftsteller, wurde 1942 in Niederbipp geboren und studierte Theologie in den Städten Basel, Bonn und Zürich. Heute lebt er in Zollikon. (MT)

© KEYSTONE
Zum Ort

Sils Maria im Oberengadin liegt malerisch eingebettet zwischen dem Silsersee und dem Silvaplanersee am Tor des Fextals. Vom Hausberg Furtschellas ist es nicht weit zum höchsten Punkt von Sils, dem Piz Corvatsch mit 3451m über dem Meeresspiegel. Von dort führen zahlreiche Wanderrouten und 120 sportliche Pistenkilometer zurück ins Tal. Sils Maria wird von vielen, die es dort hingezogen hat, als «Kraftort» beschrieben. Der Philosoph Friedrich Nietzsche, der Schriftsteller Hermann Hesse, der Künstler Joseph Beuys und Musiker wie David Bowie kamen, um sich von der Silser Weite inspirieren zu lassen.