Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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Bernhard Schlinks Zürichsee

Schauplatz

«Das Knirschen des Kieses, das Summen der Bienen, der Klang der Hacke oder des Rechens bei der Gartenarbeit – seit den Sommern bei den Großeltern sind es Sommergeräusche. Wie der bittere Geruch des sonnenwarmen Buchses und der faulige des Komposts Sommergerüche sind.»

Bernhard Schlink: Die Heimkehr (2006)

© KEYSTONE
Zu Roman und Autor

Peter Debauer, vaterlos aufgewachsen im Nachkriegsdeutschland, verbringt seine Kindheitssommer bei den Grosseltern am Zürichsee. Bei schönem Wetter spaziert er mit dem Grossvater vom Bahnhof direkt zur Schiffsanlegestelle und sie fahren mit dem «großen, alten Raddampfer» zum – unbenannten – Dorf am See. Alles stimmt in diesem Paradies: Der Grossvater erzählt Geschichten, ein gleichaltriges Tessiner Mädchen löst die ersten erotischen Empfindungen aus und herrliche Ausflüge, etwa zur Insel Ufenau (Bild), zu Ulrich von Huttens Grab, stehen auf dem Programm. Die Grossmutter rezitiert dort die Verse aus C.F. Meyers Gedicht «Huttens letzte Tage». Aber das Sommeridyll am Zürichsee ist bloss Auftakt zu den weiteren Teilen des Romans, die das Geheimnis um den Vater des Ich-Erzählers aufdecken. Eine erste und entscheidende Spur wird im Sommerferienhaus gelegt: Aus Geldnot redigieren die Grosseltern abends Groschenromane. Einmal liest der Junge trotz Verbots die Heimkehr- und Fluchtgeschichte eines deutschen Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft. Diese Lektüre beschäftigt ihn so sehr, dass er sich als Erwachsener auf die Suche nach dem Verfasser macht. Dabei verdichten sich die Hinweise, dass es sich beim Autor um seinen eigenen Vater handeln könnte. Auf seiner Reise, die Debauer in die USA führt, findet er ihn in dem Universitätsprofessoren und früheren Nazi-Propagandisten John de Baur.
Bernhard Schlink (geb. 1944) ist Jurist und Schriftsteller. Er lebt und arbeitet in Berlin und New York. Seinen literarischen Weltruhm begründete er mit dem Roman «Der Vorleser» (1995), der in siebenundreissig Sprachen übersetzt und publikumswirksam verfilmt worden ist. (BP)

Zum Ort

Der Zürichsee ist 42 Kilometer lang und bis zu 3,8 Kilometer breit. Er liegt südöstlich von Zürich in den Kantonen Zürich, St. Gallen und Schwyz. Sein Hauptzufluss ist die Linth, der Abfluss die Limmat. er Zürichsee ist reich an Resten prähistorischer Pfahlbauten. Funde belegen eine Besiedlung bereits 3500 Jahre vor Christus. Der See ist sauber und gilt als eine der bevorzugtesten Wohnlagen der Schweiz. Das rechte Ufer wird wegen seiner sonnigen Lage und der überdurchschnittlich wohlhabenden Bewohner als «Goldküste» bezeichnet, das linke Ufer als «Pfnüselküste» («Schnupfenküste»). Bei Rapperswil führt ein Damm auf das andere Ufer. Auf der Insel Ufenau, der grössten Insel der Schweiz, erhielt der todkranke Reformator und Humanist Ulrich von Hutten 1523 Asyl. Hutten starb noch im selben Jahr und fand auf dem Inselfriedhof seine letzte Ruhestätte. In sehr seltenen Fällen gefriert der See zu. Die letzte «Seegfrörni» datiert aus dem Jahre 1962/1963. Sie lockte Hunderttausende auf die Eisfläche. Jeden August findet ein Marathon-Schwimmen von Rapperswil nach Zürich (26,4 Kilometer) statt.