Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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Ida Bindschedlers Villa Seeweid

Schauplatz

«Mama und Sophie entsetzen sich, als sie die wilden Indianer mit den tätowierten Gesichtern und den starrenden Federbüschen sahen. 'Macht jetzt nur, dass ihr in euren Schilf kommt', sagte Mama. 'Ihr paßt wirklich kaum zu kultivierten Leuten. Marianne gib auf Werner acht!»
Drunten ging es mit Eifer an die Vollendung der Hütte oder des Wigwams, wie Hans sagte. Über den Dachfirst breitete er das Rehfell, das sonst vor seinem Bett lag. (...). Als der Wigwam endlich fertig war, griffen Chingachgook und Schwarze Feder zu ihren Jagdgewehren – es waren Stücke, die man an Schnüren über die Schulter werfen konnte – und verabredeten, dass sie zuerst zur Biberinsel – so wurde heut' das Färberschiff genannt – fahren und nachher auf die Jagd ziehen wollten. Die Frauen sollen inzwischen den Platz vor dem Wigwam säubern und für Hausgerät und Geschirr sorgen. Die beiden Häuptlinge entfernten sich, indem sie nach Indianerart hintereinander schlichen und umherspähten, ob von keiner Seite Gefahr drohe.»

Ida Bindschedler: Die Turnachkinder im Sommer (1906)

Zu Buch und Autorin

Erschienen sind die «Turnachkinder im Sommer» 1906. Beim Lesen tauchen wir aber ein in eine Welt um 1860, genauer: in beglückende Sommer am Zürichsee. «Heute war ja ausser Weihnachten der allerschönste Tag im Jahr! Heute zog man auf die liebe Seeweid hinaus!». Ida Bindschedler beschrieb in diesem Buch ihre eigene Kindheit mit drei Geschwistern. Damals war das Seefeldgebiet und das Zürichhorn tatsächlich noch unverbaut, landwirtschaftlich genutztes Gebiet mit Weizenfeldern und Obstgärten. Die begüterte Familie zog für die Sommermonate in die Villa Seeweid, im Alltag unterstützt von viel Personal. Mit dabei waren das Kindermädchen Sophie, die Köchin Balbine und der Hausknecht Ulrich. Im Haus hielten sich die Kinder höchstens bei Regen auf, denn draussen gab es so viel zu entdecken. Aus Binsen liessen sich «Schwummeln», Naturschwimmringe, herstellen. Und auf dem Ruderboot überstanden sie sogar einen echten Sturm, wenn auch sehr verängstigt und verletzt. Wer mehr wissen will über das Leben der Turnachs: Der zweite Band spielt in der Stadt, unter dem Titel «Die Turnachkinder im Winter» (1909).
Ida Bindschedler (1854-1919) bestritt ihren Lebensunterhalt als Primar- und Sekundarlehrerin. Zu schreiben begann sie mit 43 Jahren, als sie wegen eines Herzleidens ihren Beruf aufgeben musste. Die beiden Turnachkinder-Romane machten sie auf einen Schlag zur berühmtesten Schweizer Jugendbuchautorin neben Johanna Spyri. Die Romane bezaubern noch heute und sind von grossem kulturhistorischem Wert. (BP)

© Schweiz Tourismus
Zum Ort

Die Villa Seeweid (im Roman) bzw. Villa Solitüde (in der historischen Realität), wurde um 1700 als Sommerhaus erbaut. 1924 wurde das Gebäude abgerissen. An seiner Stelle befindet sich die Villa, die 1931 vom Textilfabrikanten Erhard Gull erbaut worden ist und heute das Museum Bellerive mit seinen kunsthandwerklichen Schätzen beherbergt. Die traumhafte Lage am See ist geblieben. Verschwunden sind dagegen die ausgedehnten Schilfgebiete und die Binsengräser, die die Turnach-Kinder noch so üppig vorgefunden hatten. Das Museum Bellerive ist in fünfzehn Fussminuten ab Tramstation Bellevue zu erreichen. Ein Spaziergang entlang der Uferpromenade lohnt sich sehr.